* Im Ausschuss für Umwelt, Verkehr und technische Dienste der Stadt Celle am 05.05.2021

Vorbemerkung CWC zu Sinn und Zweck einer Baumschutzsatzung (BSS): Gerade aufgrund der Erfahrung des fortschreitenden Klimawandels und der dagegen notwendig werdenden Maß­nahmen muss die durchaus legitime private Nutzung und Verwertung von Immobilien (Gebäuden und Grundstücken) in Relation zum öffentlichen Nutzen von Bäumen und Vegetation gebracht werden. Eingriffe in die Vegetation müssen also zu einem merklich Kosten verursachenden Kriterium bei der Nutzung und Verwertung von Immobilien werden. Prinzipiell ist die BSS eine gute Sache, doch der Rat der Stadt Celle muss darauf dringen, dass die Vorlage noch korrigiert und ergänzt wird. So das mit der neuen BSS nicht gleich wieder Unzulänglichkeiten langfristig zementiert werden.

Anmerkungen und Vorschläge zu einzelnen Punkten der BSS

Hinweis: In >> ….. << jeweils die original Textauszüge aus der vorgelegten BSS.

 

>> Sachverhalt: …. Der Nachteil der Satzung ist, dass sie nicht flächendeckend gilt. Deshalb liegt jetzt eine klassische Satzung zum Baumschutz für die Stadt Celle vor, die weitestgehend der Mustersatzung folgt.

Damit die bisherigen Unterschutzstellungen nicht verloren gehen, empfiehlt die Verwaltung, die Vegetationsschutzsatzung nicht aufzuheben. <<

Kommentar CWC: Was nun? Keine neu eingeführte Baumschutzsatzung (BSS) und stattdessen bleibt alles beim Alten? Oder neue Baumschutzsatzung und alte Vegetationsschutzsatzung (VSS) bleibt erhalten? Juristisch gesehen entweder unmöglich, oder die "lascheren" Bestimmungen der alten VSS machen die strengeren der neuen BSS hinfällig.
Vorschlag CWC: Die neue BSS nimmt in einer Präambel den Passus auf: Alle durch die bisherige VSS geschützten Bäume werdenin die neue BSS übernommen.
Ansonsten gilt ohnehin §11 der neuen BSS, der sofortiges Inkrafttreten der neuen BSS und Außerkrafttreten der alten VSS bestimmt.  

 

 >> §1 Geltungsbereich

(1) Der Geltungsbereich dieser Satzung umfasst das Siedlungsgebiet der Stadt Celle (Flächen innerhalb der rechtkräftigen Bebauungspläne (§33 BauGB) sowie der innerhalb im Zusammenhang bebauten Ortsteile (§ 34 BauGB)). … <<

Kommentar CWC: So wie es dasteht, könnte interpretiert werden, dass nur bereits bebaute Flächen oder mit bestehenden Bebauungsplänen vorgesehene Neubauflächen von der BSS betroffen sind. So könnte für zukünftige Neubau- und Gewerbegebiete wieder ungehemmt abgeholzt werden.
Vorschlag CWC: Der Geltungsbereich dieser Satzung umfasst ausnahmslos die gesamte Fläche des Stadtgebiets Celle. Insbesondere ist bei der Erstellung und Änderung von Bebauungs-Plänen die BSS ab sofort zu beachten.

>> § 2 Schutzgegenstand

(2) Geschützt sind:
a. Laub-Bäume mit einem Stammumfang von mindestens 100 cm. <<

Kommentar CWC: Auch wenn Laubbäume bei Neupflanzungen vor zu ziehen sind, ist die pauschale Ausnahme bestehender Nadelbäume vom Schutz falsch. Ältere Eiben, Lärchen, Tannen, Douglasien oder Mammutbäume sind einigermaßen klimaresistent und können durchaus einen Beitrag zu Luftqualität und Mikroklima der Stadt leisten. Völlig am Schutzzweck vorbei geht der Stammumfang, Bei einem Stammumfang von 100 cm müssten die geschützten Bäume je nach Baumart zwischen ca. 60 und 100 Jahre alt sein um unter Schutz zu fallen. Wie jeder Fachmann weiß, ist aber gerade das Wachstum und die CO2-Bindung ab ca. dem 30. Jahr bis zum ca. 40. Jahr besonders stark und setzt sich dann noch einige Jahrzehnte auf ähnlich hohem Niveau fort. Bei einem Stammumfang von 60 cm als Kriterium wären dagegen je nach Baumart auch Bäume ab dem Lebensalter von ca. 35 Jahren geschützt. Deshalb werden auch in den BSS anderer Städte (z. B. Hannover) diese 60 cm vorgeschrieben.
Vorschlag CWC: Geschützt sind alle Laubbäume sowie Eiben, Lärchen, Tannen, Douglasien und Mammutbäume ab einem Stammumfang von 60 cm bei Laubbäumen und 80 cm bei Nadel­bäumen.
Kommentar CWC: Was völlig fehlt, ist der Schutz von Hecken und Baumneupflanzungen gemäß Bebauungsplänen („Anti-Schottergärten-Effekt“): 
Vorschlag CWC:
Ergänzung:

(2) Geschützt sind:
d) Hecken und Baumbepflanzungen in Neubaugebieten. Die laut Bebauungsplan vorgegebenen Bepflanzungen müssen bei Änderung oder Beseitigung auf demselben Grundstück durch Nach­pflanzungen ersetzt werden.

>> (4) Diese Satzung gilt nicht für
b. Wald im Sinne des Landeswaldgesetzes <<
Kommentar CWC: Weite Kreise der Bevölkerung meinen, eine strenge Baumschutzsatzung müsse auch für die städtischen Wälder gelten. Dies ist allerdings nach dem Landeswaldgesetz nicht möglich.
Vorschlag CWC: Die Baumschützer*innen aller Stadtratsfraktionen stellen demnächst den Antrag, die städtischen Wälder in Schutzwald umzuwidmen. Sie würden dann nur noch als CO2- und Wasser-Speicher, zur Regulierung des Mikroklimas und zum Erhalt der Artenvielfalt dienen. Damit wären sie von der forstwirtschaftlichen Nutzung und der Durchforstung ausgenommen.

>> § 5 Ausnahmen

(1) Die Stadt Celle kann auf Antrag des Eigentümers oder Nutzungsberechtigten Ausnahmen von den Verboten des § 3 zulassen, wenn das Verbot

  1. zu einer nicht beabsichtigten Härte führen würde und die Ausnahme mit den öffentlichen Interessen, insbesondere dem Zweck der Schutzausweisung, vereinbar ist oder
  2. eine nach sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften zulässige Nutzung des Grundstücks sonst nicht oder nur unter unzumutbaren Beschränkungen verwirklicht werden kann. …

    (2) Eine Ausnahme ist zuzulassen, wenn ….
    d. die Beseitigung der geschützten Bäume aus überwiegendem öffentlichen Interesse dringend erforderlich ist ….
    Kommentar CWC: Was ist unzumutbar und was ist öffentliches Interesse? Hier muss nochmal darauf hingewiesen werden, dass Klimaschutz im öffentlichen Interesse genauso schwerwiegend sein muss, wie wirtschaftliche Interessen von privater oder städtischer Seite! Wenn also z. B. für die Beseitigung des Eichenwäldchen für den Bau eines Feuerwehrhauses in Westercelle aufgrund einer BSS tatsächlich CO2-kompensierende Ausgleichsmaßnahmen erforderlich gewesen wären, hätte das leicht Kosten von einigen 100000 Euro verursacht. Dann wäre sehr wohl ein anderer, ähnlich teurer Standort z. B. An der Graft in Frage gekommen.
    Vorschlag CWC; eine Ergänzung der BSS:
    (3) Ausnahmen sind nur möglich …
    wenn die Beseitigung der Bäume durch ökologische und klimaneutrale Maßnahmen an selber Stelle oder anderweitig voll kompensiert werden kann.

>> § 6 Genehmigungsverfahren <<

(1) ….

Zuständig ist die Stadt Celle, Fachdienst Umwelt.
Kommentar CWC: Müsste die Zuständigkeit nicht insgesamt (!) im Fachbereich 5 (Stadtplanung, Bauen und Umwelt) liegen? Schließlich müssen FD 61 (Stadtplanung /Bauen), FD 65 (Planung, Bewirtschaftung und Bauunterhaltung) mit dem FD 64 (Umwelt) kooperieren?  

Kommentar CWC Kontrolle, bei genehmigter Fällung „kranker“ Bäume fehlt: Die Erfahrung anderer Kommunen mit BSS zeigt, dass nach genehmigter Fällung angeblich (!) kranker Bäume, die gesunde Baumscheibe blitzschnell entfernt wird. Hier fehlen die Überwachung und Dokumentation der Fällung kranker Bäume. Nur so werden Gefälligkeitsgutachten vermieden. In diesem Fall müsste dann das Bußgeldverfahren greifen!
Vorschlag CWC; eine Ergänzung der BSS: Der tatsächliche Zustand kranker Bäume wird bei der genehmigten Fällung vor Ort vom Grün Amt fotografisch dokumentiert. Sollte der, der Genehmigung zugrunde gelegte, Zustand des Baumes nicht zutreffen, wird ein Bußgeldverfahren eingeleitet.


 >> § 7 Verfahren bei Bauvorhaben

(1) Wird für ein Grundstück im Geltungsbereich dieser Satzung eine Baugenehmigung beantragt, so sind in einem Bestandsplan die auf dem Grundstück vorhandenen Bäume mit Standort, Stammumfang und Kronendurchmesser einzutragen und unverzüglich unter Hinweis auf die beabsichtigte Baumaßnahme der zuständigen Baubehörde zuzuleiten. Gleiches gilt für alle geschützten Bäume, die auf Nachbargrundstücken und im öffentlichen Raum stehen und von der geplanten Baumaßnahme – auch indirekt - betroffen sind. <<

Kommentar CWC: Wenn kein Baumkataster aller geschützten Bäume besteht, kann diese Bestimmung lässig durch „Abholzen vor Bauvorantrag“ umgangen werden. Dies zeigt auch die Erfahrung in anderen Kommunen mit BSS.  
Vorschlag CWC, eine Ergänzung: Die Stadt Celle legt im Lauf der nächsten 2 Jahren dazu ein Kataster aller geschützten Bäume an.

>> § 8 Ersatzpflanzung, Ausgleichszahlung

(1) Wird für die Beseitigung eines geschützten Baumes eine Ausnahme nach § 5 erteilt, werden Ersatzpflanzungen angeordnet, die sich quantitativ am Wert des Baumes für den Naturhaushalt und die unter § 1 (Schutzzweck) genannten Funktionen bemessen. <<
Kommentar CWC: Wortwörtlich ist diese Bestimmung richtig. Die Frage ist, wie sie umgesetzt wird. Fortwissenschaftlich müssten zum CO2-Ausgleich eines gefällten 40-jährigen Baums ca. 400 dreijährige Bäume nachgepflanzt werden. Berücksichtigt man, dass ca. 50% der Baummasse als das CO2 langfristig speicherndes Bauholz verwendet wird, müssten immer noch ca. 200 junge Bäume nachgepflanzt werden. Geldwertmäßig liegt der Nutzen eines 40-jährigen Baumes u. a. als CO2-Speicher, Sauerstoffproduzent und Klimaregulator bei ca. 26000 Euro (2007 Berechnungen des Bundes Deutscher Baumschulen) aktuelle Studien u. a. der FAO schätzen heute sogar bis zu 50000 Euro.
Vorschlag CWC: Außer Nachpflanzung eines Baums vor Ort müssen Zahlungen für die Nachpflanzung (Aufforstung) von Bäumen andernorts in etwa CO2.kompensierender Anzahl geleistet werden.
Dazu wäre, wie der Bußgeldkatalog, als Anhang zur BSS eine Tabelle zu erstellen!

 

>> Anlage zur Baumschutzsatzung der Stadt Celle – Bußgeldkatalog

Stand: 19.05.2021

Die Höhe Bußgeld wird jeweils nach Einzelfallprüfung in Anlehnung an die Methode Koch zur Wertermittlung von Bäumen festgesetzt. <<

Kommentar CWC: Die (leider immer noch) gerichtsfeste Methode Koch wurde 1975 in Vorklimawandel-Zeiten entwickelt. Sie hat mit den modernen Methoden, die den ökologischen Gesamtnutzen von Bäumen bewerten, wenig zu tun. (s. o. 26000 bis 50000 Euro pro Baum).
Vorschlag CWC: Die BSS wird ggfs. mit diesem Bußgeldkatalog verabschiedet, aber die Verwaltung wird gleichzeitig beauftragt, innerhalb von 2 Jahren einen nach modernen ökologischen Methoden aktualisierten Bußgeldkatalog zu erstellen.
Für die Erstellung eines solchen, auf ökologischen Kriterien ermittelten Werten basierenden Bußgeldkatalogs, sollte die Stadt Celle den Städtetag, den Städte- und Gemeindebund und den Landkreistag hinzuziehen, da dies keine lokal zu meisternde Aufgabe ist.

Hinweis: Diese Stellungnaghme wird auch von der Celler Klimaplattform unterstützt.