Zerstörung von Umwelt, Klima und Landwirtschaft

Bis ca. 1965 nur eine Randerscheinung

Der heutige Mais ist eine kultivierte Variante des wilden Süßgrases Teosinte. Aufgrund archäo­logischer Funde lassen sich die Urformen des Mais bis ca. 6.000 v. Chr. nachweisen. Er war von den südlichen Gebieten der heutigen USA über Mittelamerika bis hin zum Amazonas eine der wichtigsten Kulturfrüchte der indigenen Bevölkerung, vor allem der Inkas, Mayas und Azteken. In deren Religionen wurde der Mais als Gottesgabe betrachtet. Christoph Kolumbus hat die Pflanze aus der Karibik nach Europa mit gebracht. Hier wurde Mais ab Beginn des 16. Jahrhunderts zunächst als Gartenpflanze und dann zunehmend als Feldfrucht angebaut. Aufgrund der klimatischen Anforderungen der damaligen Maissorten erfolgte der Anbau fast nur in Süd- und Südosteuropa. In Deutschland wurde bis ca. 1965 Mais praktisch nur im warmen Rheingebiet – vor allem als Körnermais für Hühnerfutter – angebaut. In Niedersachsen und auch im Landkreis Celle war er praktisch gar nicht zu finden.

Ab ca. 1970 Standard-Futtermittel

In den 1960er Jahren wurden relativ kälteunempfindliche Sorten entwickelt, die ohne Insekten­bestäubung auskommen. Die gleichzeitige Entwicklung spezieller "maisgeeigneter" Herbizide und Pestizide machte Mais ab Beginn der 1970er Jahre vor allem als Silomais in ganz Deutschland zu einem Standard-Futtermittel, denn der Hektarertrag ist im Vergleich zu den anderen Getreidesorten (wie Weizen, Roggen, Gerste, Triticale oder Hafer) zwischen 15% und 100% größer. Der Anbau als Futtermittel stieg deshalb in Deutschland von 1965 bis 2000 auf ca. das 8-fache auf ca. 1,8 Mio. ha. In Niedersachsen wuchs der Maisanbau bis Anfang der 2000er auf bis ca. 300.000 ha, um dann zu stagnieren. Auch im Landkreis Celle stagnierte der Maisanbau nach schnellem Wachs­tum in den 1980er und 1990er Jahre um 2000 bei ca. 4600 ha. Der Grund war, dass Mais als Mast­mittel für Rinder und Schweine und als Leistungsfutter für Milchkühe in der konventionellen Landwirtschaft für die heute geforderten Schnellmast-Fleischerträge bzw. Höchsterträge bei der Milchleistung nicht ausreicht. Hierzu braucht die konventionelle Landwirtschaft zusätzlich importiertes Soja und Palmöl, die einen vielfach höheren Eiweiß- bzw. Fettanteil als Mais haben. Deshalb wuchs der Maisanbau um 2000 nicht weiter bzw. war sogar vorübergehend leicht rückläufig.

Nur bei Beregnung hohe Erträge

Auf den ersten Blick – und so wird auch der Maisanbau von Seiten der Agrarindustrie und ihren Lobbyorganisationen beworben und gerechtfertigt – benötigt der Mais relativ wenig Wasser. Der angeblich geringe Wasserverbrauch beruht allerdings darauf, dass Mais in weiten Bereichen seiner Vegetationsphasen und damit auch über die Gesamtvegetationszeit wenig Wasser verbraucht. In seinen Hauptwachstumsphasen braucht er allerdings sehr viel Wasser. Dummer­weise fallen diese  heute oft in die sommerlichen Dürrephasen, wo zwar Sonne und Hitze das Wachstum des wärmeliebenden Maises befördern. Um das üppige Wachstum zu nutzen, muss genau dann üppig beregnet werden. Weiter behaupten die Lobbyorganisationen, Mais habe mit einem Transpirationskoeffizienten von ca. 350 Liter Wasser pro kg Trockenmasse einen weitaus besseren Wert als alle anderen Getreidesorten oder auch als Hackfrüchte wie Kartoffeln oder Leguminosen wie Ackerbohnen. Doch dies trügt, es zählt ja nicht nur, was die Pflanze direkt selbst verdunstet. Durch die relativ hohen Abstände der Maispflanzen, die dank Herbizid-Einsatz i.d.R. auf blanker Erde wachsen, ist bei Mais nämlich die Bodenverdunstung in heißen Sommern besonders hoch. Was dann durch zusätzliche Beregnung ausgeglichen werden muss.   

Nur bei üppiger Düngung hohe Erträge

Laut den Informationen der Maislobby ist Mais ein besonders guter Verwerter der im Boden ent­haltenen Nährstoffe, so dass er mit relativ wenig Düngemitteln auskommt. Doch das gilt nur für Böden, in denen die Düngemittel langfristig gebunden bleiben und nur nach Pflanzenbedarf nach und nach freigesetzt werden. Das ist z.B. auf den leichten Böden des LK Celle nicht der Fall; hier werden die Nährstoffe ziemlich schnell aus dem Wurzelbereich der Pflanzen „ausgeschwemmt“ oder wie der Fachmann so schön sagt, sie werden „verlagert“. Dazu kommt: Bei keinem Getreide wächst durch Überdüngung mit Stickstoff der Ertrag so stark an wie bei Mais. Während bei Roggen oder Weizen nur ca. 10% bis 30% Mehrertrag durch Überdüngung erreicht werden kann, sind bei Mais bis zu 110% möglich (Zahlen der der Landwirtschaftskammer Niedersachsen). Dies wird der/die Landwirt*in i.d.R. nicht (voll) ausnutzen, wenn  dafür teuren Kunst­dünger zugekauft werden muss. Doch  dafür können ja kostengünstig Gärreste aus den Biogasanlagen und Gülle aus der Massentierhaltung verwendet werden. Dass dies im LK Celle noch nicht zum Problem geworden ist, liegt nur daran, dass hier das Grundwasser meist durch schlecht durchlässige Deck­schichten abgeschirmt ist, so dass das Nitrat noch (!) nicht ins Grundwasser durchgesickert ist.

Anbau zerstört den Humus

Mais wird auch im LK Celle nicht wie bei den Indigenen Mittelamerikas als Milpa angebaut (mit Kürbissen und Bohnen als Bodendecker bzw. natürliche Stickstoffspender zwischen den Mais­pflanzen). Sondern dank üppigem Herbizid-Einsatz gegen die Unkräuter steht der Mais auf blanker Erde. D.h. der Abbau des Nährhumus erfolgt dank des freien Luftsauerstoffzutritts beschleunigt und die Austrocknung erfolgt schneller. Auch der Abtrag (Erosion) des Bodens durch Wind und Wasser (Starkregen) erfolgt bei Mais besonders leicht. Dass im Feldbau in Nieder­sachsen derzeit zwischen 0,25 kg und 5 kg pro m2 und Jahr an Humus verloren geht, liegt also nicht zuletzt an der Ausweitung des Maisanbaus.

Grafik aus: 3N Kompetenzzentrum Niedersachsen Netzwerk Nachwachsende Rohstoffe und Bioökonomie e.V. (Hg.): Biogas in Niedersachsen Inventur 2018, Hannover 2019

 

Anbau vernichtet Insekten und Vögel

Außer dem berüchtigten Glyphosat werden im Maisanbau noch mindestens 33 weitere Herbizide eingesetzt (siehe z.B. offizielle Liste der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft). Bei den anderen „Pflanzenschutzmitteln“, rühmt sich die Maislobby, dass Mais im Vergleich zu anderen Getreiden und Feldfrüchten relativ wenig benötige. Doch absolut stimmt das nicht: Da der Mais­anbau so stark ausgeweitet wurde, ist dadurch selbstverständlich auch der mengenmäßige Einsatz von „Pflanzenschutzmitteln“ gestiegen. So wird gegen Krankheiten durch Pilze und andere Erreger beim Mais in der Regel bereits das Saatgut gebeizt, und der Wirkstoff breitet sich dann („systemisch“) in der gesamten Pflanze aus. Auch gegen Schadinsekten wie Fritfliege und Mais­zünsler sind nach wie vor eine ganze Reihe Insektizide im Einsatz. Und wegen des besonders resistenten Maiswurzelbohrers sind nun Bestrebungen im Gange, bereits verbotene Neo­nicotinoide wieder zu erlauben. Diese Pestizide, Fungizide und Herbizide wirken nicht nur auf die allgemein als nützlich bekannten Insekten wie Bienen und Hummeln schädigend. Zum Beispiel kommt über den bei Bienen beliebten Maistau soviel solcher Wirkstoffe in den Honig, dass dieser nicht mehr als „Bio“ verkauft werden darf. Auch eine Vielzahl anderer Insektenpopulationen wird durch diese giftigen Wirkstoffe so reduziert, dass sie als Nahrungsmittel für viele Vogelarten ausfallen und so auch bei anderen Tierarten die Artenvielfalt reduzieren. Zwar werden deshalb immer wieder bestimmte Pflanzenschutzmittel verboten, doch „wundersamerweise“ wurden in den letzten 10 Jahren im Schnitt für einen verboten Wirkstoff zwei neue zugelassen. Die einzige Maß­nahme, um den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu verringern, nämlich weniger Mais anzu­bauen und Fruchtwechselfolgen von bis zu fünf Jahren einzuhalten, wird im konventionellen Landbau erst gar nicht erwogen.

Biogas: klimaschädlich und ineffizient

Während die Gestehungskosten von Strom aus Photovoltaik und Windkraft dank der durch Subventionen bewirkten Produktivitätssteigerung in den letzten 15 Jahren auf bis zu 4 Cent/kWh gesenkt wurden, ist sog. „Bio“gas nach wie vor ein Fass ohne Boden. Die Gestehungskosten liegen je nach Anlagengröße und verwerteter Biomasse bei Biogas zwischen ca. 12 und 24 Cent/kWh.

Inzwischen hat das Bundeskabinett Regelungen für Biogas in der Novellierung des EEG (Erneuerbares Energien Gesetz) verabschiedet. Sie sehen für weitere 10 Jahre eine Subvention von 16,4 bis zu 19 Cent/kWh vor. Das heißt: Biogas ist volkswirtschaftlich gesehen unwirtschaftlich. (Übrigens ist Bauernpräsident Rukwied stolz darauf, mit seiner frechen Lüge, Biogasanlagen dienten durch die Verarbeitung von Gülle dem Klimaschutz, die Politik überzeugt zu haben. In Wirklichkeit ist in den Gärresten der Biogasanlagen fast genauso viel Stickstoff  wie vorher in der Gülle, und dann trägt halt das Ausbringen der Gärreste zum Nitrat im Grundwasser und zum N2O in der Luft bei.)

Da der Einsatz von Mais in Biogasanlagen im Vergleich zu anderen Energiepflanzen oder Grünabfällen die Gas­ausbeute verdoppelt, wird derzeit im Schnitt über alle Biogasanlagen zu 85% Mais als Biomasse eingesetzt. Doch durch die Stickstoffdüngung wird beim Anbau so viel N2O (Lachgas, ein ca. 320 mal wirksameres Treibhausgas als CO2) freigesetzt, dass Biogas aus Mais eindeutig klimaschädlich ist. Energetisch gesehen ist Biogas aus Mais ohnehin Irrsinn: Ein Hektar Photovoltaik liefert mindestens 10-mal mehr Strom als ein ha Mais. Für viele Landwirte, die sich nicht auf ökologische Landwirtschaft umstellen wollen, ist Biogas derzeit noch ein vermeintlicher Rettungsanker, der aber langfristig zu ihrem Sargnagel werden wird.

Landkreis Celle ein Biogas-Hotspot

Mit dem Aufkommen der Biogasanlagen steigerte sich vor allem ab Mitte der 2000er Jahre der Maisanbau flächenmäßig um 80% bis heute auf ca. 2,7 Mio. Hektar. Heute werden in Deutschland 37% des Mais ausschließlich für Biogas angebaut. Der Landkreis Celle steht mit über 70 Biogas­anlagen auf Platz 8 in Niedersachsen und zählt auch in Deutschland zur Spitzengruppe. Das heißt, dass die in den letzten 20 Jahren im LK Celle um ca. 30% angestiegene Anbaufläche ziemlich komplett für Mais genutzt wird. Den offiziellen Statistiken des Landes Niedersachsen lässt sich entnehmen, dass 2/3 dieses Celler Maises ausschließlich für Biogas genutzt werden.   

Hauptgrund für Grundwassermangel

Leichte, sandige Böden – wie sie auch im LK Celle vorherrschen – sind wegen Wassermangel (!) und Nährstoffverlagerung für Maisanbau eigentlich ungeeignet. (Das sieht sogar die „Fach­beratung Maisanbau“ der Firma KWS so, die ja unbedingt mit Maissaatgut Geld verdienen will.) Trotzdem wird auch im LK Celle Mais angebaut, was angesichts der immer heißeren und trockeneren Sommer nur noch mit Feldberegnung funktioniert. Dass aufgrund des Klima­wandels laut Niedersächsischem Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz in Niedersachsen ein 40-Jahres Grundwassertiefstand herrscht und dass dank längerer Dürrezeiten und kurzer Starkregenperioden die Grundwasserneubildung nicht mehr funktioniert wie früher, das alles kümmert die meisten Landwirt*innen im LK Celle bislang wenig. Dank Grundwassermangel müsste ihr bisheriges Jahreskontingent von 18,4 Mio. m3 eigentlich gekürzt werden. Stattdessen fordern sie mit der Begründung, ihre Anbaufläche wäre in den letzten 20 Jahren um 30% gestiegen (siehe Maisanbau), eine Erhöhung auf über 32 Mio. m3. Da fallen einem ganz zwanglos die Mayas ein, deren Kultur zusammenbrach, als ihnen das Grundwasser für den Maisanbau ausging. Aber wer lernt schon aus der Geschichte!

Was wäre die Alternativen?

Bei nüchterner Betrachtung wären die Alternativen eine drastische Reduzierung des Maisanbaus – auch durch möglichst schnellen Ausstieg aus der Biogasproduktion – sowie weitgehende Umstellung auch der Futtermittel auf andere Ackerfrüchte und andere Anbau- und Bewässerungsmethoden. Sowohl die offiziellen als auch die selbsternannten Vertreter der Landwirtschaft im LK Celle erklären statt­dessen „ohne Beregnung ist Landwirtschaft im LK Celle nicht möglich“. Man fragt sich, wie das ihre Großväter und Großmütter in den 1960ern so ganz ohne Beregnung geschafft haben? Gut, sie hatten noch nicht den Klimawandel und konnten auch noch von geringeren Erträgen leben. Doch warum kommt keiner dieser Bauernsprecher mal auf die Idee, die Einstellung aller Subventionen für konventionelle Landwirtschaft zu fordern und stattdessen Umleitung aller Subventionen auf ökologische Landwirtschaft sowie eine zusätzliche Bezuschussung der Betriebe während der Umstellungsphase. Die Landwirte im Landkreis Celle müssten dann nicht mehr für den Weltmarkt produzieren, sondern vorrangig für die regionale Versorgung der Bevölkerung. Dafür würden Wassermenge und Bodenqualität auch im Landkreis Celle reichen, statt sie wie jetzt mit Mais zu vergeuden und dabei auf den eigenen Ruin zu zusteuern.

Quelle: revista. linke zeitung für politik und kultur in celle; 21. Jg., H 102, Nov./Dez. 2020, S. 18-20.