Wärmewende in Celle –

bislang planlos!


Warum ist für CO2-Null eine Wärmewende so wichtig?

Derzeit werden laut Umweltbundesamt (UBA) in Deutschland ca. 31% der Endenergie für Gebäudewärme und Klimatisierung verbraucht. Da dies größtenteils noch über fossiles Erdgas oder Kohle (Fernwärme) erfolgt, ist der Anteil an der Emission von Treibhausgas (THG) durch Gebäude­wärme und Klimatisierung mindestens 16%. Damit ist offensichtlich, dass eine Wärme­wende im Rahmen einer Energiewende zu CO2-Null eine Kernaufgabe ist!

Fossile Gebäudewärme kann nicht zu 100% durch grünen Strom ersetzt werden!

Um CO2-Null zu erreichen, müssen wir die gesamte Energieversorgung in Deutschland zu ca. 95% auf Wind- und Solarstrom (EE-Strom) umstellen. Strom würde damit praktisch zur einzigen THG-freien Primärenergie-Quelle. Der durch Biomasse abdeckbare Anteil, kann gemessen an der erforderlichen Gesamtenergiemenge vernachlässigt werden. Und die Masse des aus Energie­pflanzen erzeugten Biogases ist wegen der durch die Düngung verursachten THG-Emissionen
(à N2O) auch nicht klimaneutral. Auch der derzeit gehypte Wasserstoff ist bei Wärme keine Alternative zu Strom. Denn Wasserstoff muss unter hohen Verlusten aus Strom erzeugt werden und ist deshalb energetisch ineffizient und teuer. Wasserstoff darf nur für Sonderzwecke erzeugt und verwendet werden, z.B. in der Stahl- und Chemieindustrie, in Restbereichen des Güter- oder Personenverkehrs oder als Speichermedium zur Überbrückung von Dunkelflauten. Das heißt: Für Gebäudewärme und Klimatisierung muss in Zukunft EE-Strom verwendet werden. Aber es darf dafür nur ein Bruchteil des heute und künftig erzeugten EE-Stroms verwendet werden.

Für CO2-Null muss der Wärmeverbrauch in Gebäuden um 80% gesenkt werden!

Das heißt: Der Energieverbrauch für Wärme und Klimatisierung in den Gebäuden muss verglichen mit heute extrem gesenkt werden. Das sehen wir im Verhältnis zur derzeit verbrauchten Gesamt­energiemenge von ca. 2500 TWh in Deutschland. Wenn Strom für CO2-Null zu dem fast einzigen Energieträger werden muss, kann unmöglich die gesamte derzeit benötigte Energiemenge kom­plett durch Strom ersetzt werden. In 2020 wurden laut Fraunhofer Institut für Solare Energie­systeme  ca. 490 TWh Strom er­zeugt, davon stammten ca. 250 TWh aus regenerativen Quellen. Würde also die derzeit benötigte Gesamt-Energiemenge durch Strom ersetzt, müsste die Strom­erzeugung aus regenerativen Quellen um ca. das 10-fache gesteigert werden. Andererseits gehen viele Expert:innen (Fraunhofer, AGORA etc.) davon aus, dass wir in einer CO2-freien Zukunft durch gesteigerte Energieeffizienz nur ca. 800 bis 1100 TWh Strom brauchen werden. Das bedeutet allerdings massive Energie­einsparungen in vielen Sektoren, vor allem auch im Gebäude­sektor!

Die Energiewende zu CO2-Null funktioniert nur,

wenn im Gebäudesektor eine Energieeinsparung um ca. 80%

auf nur noch 20% vom heutigen Verbrauch erreicht wird.

Die Wärmewende wird – neben dem Verkehr, wo ebenfalls 80% Einsparung gefordert ist – also zum Knackpunkt der Energiewende! 

Dieses Gebäudewärme-Ziel ist technisch gesehen leicht erreichbar!

Nach den von der KEAN (Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen) zitierten Daten der TU Darmstadt und des IFEU (Institut für Energie- und Umweltforschung) liegt im Gebäudebestand Deutschlands der durchschnittliche Wärmeverbrauch immer noch bei ca. 360 kWh/m2 a und  bei einem nach den Wärmeschutzstandard von 1995 erbauten Haus bei ca. 180 kWh/m2 a. Bei Häusern mit dem Isolationsstandard Effizienzhaus 40 (bis vor kurzem: KfW 40) liegt der Energie­verbrauch jedoch nur noch bei ca. 75 kWh /m2 a. (Erläuterung der Energieeffizienz-Standards finden sie im Anhang). Das heißt, allein durch optimale Isolierung aller unter ca. 20 Jahre alten Häuser auf mindestens Effizienzhaus-Standard 40, und aller älteren Häuser auf Effizienzhaus-Standard 55, kann der Energieverbrauch durch Isolationsverluste auf ca. 1/3 bis 1/4 gesenkt werden. Und mit einer Wärmepumpe als Heizung kommen dann zu jedem Kilowatt verbrauchtem Strom noch ca. 3 kWh (stromfreie) Wärme dazu. So kann die Senkung des Gebäudewärme-Energieverbrauchs auf 1/5 gut erreicht werden. Mit zusätzlicher Dach-Photovoltaik-Anlage kann in vielen Fällen sogar bei der Sanierung von Alt­bauten ein „Nullenergiestandard“ (im Jahresdurch­schnitt ist das Gebäude kein Energiever­braucher) erreicht werden. Das heißt aber: Es ist ein ordnungspolitisches und wirtschaftliches Problem und keine technisches, wenn in den nächsten 15 bis 20 Jahre nicht alle alten Gebäude energetisch saniert und auf CO2-freie Heizungen um­gestellt werden. Und vorab als Zwischenfazit für unsere städtischen Bebauungs­planer:innen: Neue Gebäude schlechter als Effizienzhaus-Standard 40 dürfen ab sofort nicht mehr zugebaut werden!

Damit diese Wärmewende klappt, sind auf der 

Umsetzungsebene
die Kommunen verantwortlich.

Kommunale Wärmeplanung – woanders schon Realität, aber noch nicht in Celle!

Die Energieagentur des Landes Niedersachsens (KEAN) stellt fest „Die kommunale Wärme­planung ist (in NDS zwar noch) keine kommunale Pflichtaufgabe. Ungeachtet dessen ist die CO2-neutrale Wärmeversorgung in der Siedlungsplanung von zunehmender Bedeutung.“ Deshalb fordert sie die Kommunen dringend zur Erstellung von Wärmeplänen auf. Die KEAN stellt den Kommunen dazu Planungsunterlagen zur Verfügung: Den allgemeinen Leitfaden Kommunale Wärmeplanung sowie die Arbeitshilfen zu Bestandsaufnahme: Daten und Daten­quellen; Energieeffizienzpotenziale im Gebäudebereich; Nachhaltige Wärmepotenziale und Technologien; Wärmeversorgungsstrukturen im Quartier; Beispiele kommunaler Wärme­planung und Wärmeversorgung; Fördermöglichkeiten. Ein Angebot, das bislang offensichtlich von Celles Verwaltung nicht genutzt wird. Stattdessen werden z.T. bis zu 15 Jahre alte, klimaschädliche Bauplanungen abgearbeitet (siehe Aller-Insel). Immerhin haben bereits 13 Kommunen in Niedersachsen – auch ohne Zwang, sondern aus Einsicht – mit der Umsetzung von Wärmeplanungsprojekten begonnen und beweisen, dass vieles geht.

Wie funktioniert Kommunale Wärmeplanung?

Seit Herbst 2020 gibt es z.B. in Baden-Württemberg ein Gesetz, das Kommunale Wärmeplanung vorschreibt. Nachfragen in BW ergaben: Einige Kommunen werden bereits jetzt, die meisten in spätestens ca. 6 Monaten ihre Konzepte vorlegen können. Ja - 11 Kommunen haben bereits in der Vergangenheit Klimaschutzteilkonzepte mit integrierter Wärmeplanung oder Energieleitpläne erstellt. Teilweise liegen vor Ort Bausteine eines Wärmeplans vor wie z.B. ein Wärmekataster oder Maßnahmengebiete. Daneben kommen recht ausgereifte Konzepte für den Sektor Wärme in den Kommunen Stuttgart und Mannheim. (Wir zitieren das Beispiel BW nur, um zu zeigen, wie flink Verwaltungen sein können, wenn sie wollen oder müssen). Anlehnend an die Bestimmungen in BW könnte man bereits jetzt auch in Celle lernen, in welchen Schritten Kommunale Wärme­planung funktioniert:

Feststellung Bestand und Einsparpotenziale des Energiebedarfs: Erhebung des aktuellen Wärmebedarfs und -verbrauchs und der daraus resultierenden Treibhausgas-Emissionen ein­schließlich Informationen zu den vorhandenen Gebäudetypen und den Baualtersklassen, der Versorgungsstruktur aus Gas- und Wärmenetzen, Heizzentralen und Speichern sowie Ermittlung der Beheizungsstruktur der Wohn- und Nichtwohngebäude.

Potenzialanalyse erneuerbare Energien und Nutzung von Abwärme: Ermittlung der Potenz­iale zur Energieeinsparung für Raumwärme, Warmwasser und Prozesswärme in den Sektoren Haushalte, Gewerbe-Handel-Dienstleistungen, Industrie und öffentlichen Liegenschaften sowie Erhebung der lokal verfügbaren Potenziale erneuerbarer Energien und Abwärme-Potenziale.

Entwicklung von Untersuchungsgebieten: Entwicklung eines Szenarios zur Deckung des zukünftigen Wärmebedarfs mit erneuerbaren Energien zur Erreichung einer klimaneutralen Wärmeversorgung. Dazu gehört eine räumlich aufgelöste Beschreibung der dafür benötigten zukünftigen Versorgungsstruktur im Jahr 2050 mit einem verbindlichen (!) Zwischenziel für 2030. Dies gelingt durch die Ermittlung von Eignungsgebieten für Wärmenetze und Einzelversorgung.

Lokale Wärmewendestrategie mit verbindlichen Umsetzungsschritten: Erstellung eines Transformationspfads zur Umsetzung des kommunalen Wärmeplans. Mit Beschreibung der Maß­nahmen für die Erreichung der erforderlichen Energieeinsparung und den Aufbau der zukünftigen Energieversorgungsstruktur. D.h., nicht nur Absichtserklärungen und Angabe von Zielen, sondern vor allem auch ausgearbeitete Maßnahmen, Umsetzungsprioritäten, Etats und Zeitplan für die nächsten Jahre.

Ist Kommunale Wärmeplanung juristisch überhaupt möglich?

Im Baugesetzbuch (BauGB) wird der Klimaschutz als wichtiger Abwägungsbelang hervor­gehoben. Bereits in der Klimaschutznovelle des BauGB vom 22.07.2011 wurde zur Kon­kretisierung des Klimaschutzzieles in § 1 Abs. 5 Satz 2 festgelegt:

"Bauleitpläne sollen dem Klimaschutz

und der Klimaanpassung Rechnung tragen“
.

Auch der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags stellte bereits 2009 in einem Gutachten die „Zulässigkeit von Bebauungsplänen in Bezug auf die Festschreibung und den Nutzungszwang bestimmter Heizenergiearten“ fest. Zum Beispiel wurde auf Nachfrage bei der KEA BW bestätigt, dass dort die Vor­gabe von Passivhaustandard in den Bebauungsplänen vieler Kommunen inzwischen üblich ist. Allerdings gibt es aus Kreisen der Immobilienwirtschaft das interessiert gestreute Gerücht, gesetz­lich vorgeschriebene Energiesparhäuser seien nicht mehr förderfähig. Prof. S. Klinski erklärte jedoch 2021 in einem Gutachten für die DENEFF (Deutsche Unternehmensinitiative Energie­effizienz): „Für technische Maßnahmen zur Erfüllung der Anforder­ungen und Pflichten, die in diesem Gesetz (BEG) oder in den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen für Neubauten und bestehende Gebäude aufgestellt werden, kann der Eigentümer Fördermittel aus dem Bundesförderprogramm für energieeffiziente Gebäude erhalten, sofern die Anforderungen des BEG mit den Maßnahmen erfüllt werden.“ Die prinzipielle Förderbarkeit von nach in Bebauungs­plänen vorgeschriebenen Energiestandards errichteten Häusern wurde CWC auch durch eine Anfrage bei der KfW bestätigt. Fazit: Über ihre Bebauungs­pläne kann die Stadt sehr wohl hohe Energiestandards der Häuser (z. B. „Nullenergiehaus“, Passiv Haus oder Energie Plus Haus), Heizungsarten (z.B. Wärmepumpe) oder Anschluss an (Nah)-Fernwärme (aber auch z.B. PV-Dach-Anlagen oder Nutzung von Solar­thermie) durch­setzen. 

Celler Bebauungspläne bislang ohne verbindliche Klimaschutzauflagen

Ob „Blaues Land“ (90 Bauplätze) oder „Im Tale“ (110 Bauplätze), in den Bebauungsplänen für die aktuellen größeren, überwiegend EFH-Neubaugebiete in Celle taucht der Aspekt Klimaschutz nicht einmal auf, und es werden keinerlei Vorgaben bzgl. Energiestandard der Neubauten oder der Heizsysteme gemacht. Und ganz selbstverständlich – man fühlt sich mindestens 20 Jahre zurück­versetzt – erfolgt die Verkehrsanbindung der Neubaugebiete, wie es noch (!) in der Vorlage zur Aktualisierung des Flächennutzungsplans der Stadt Celle heißt, durch das Verkehrsmittel Nummer 1 in Celle, den privaten Pkw - oder in der Anpreisung fürs „Blaue Land“ des Immobilien­entwicklers NLG: „Verkehrsanbindung über B191“. Von familienfreundlichen Fuß- und Fahrrad­wegen oder eng getaktetem ÖPNV ist da keine Rede. Immerhin wurde nach starkem Bürger:­innen-Protest das „Wohngebiet zwischen Zugbrückenstraße und Klein Hehlener Bach“ wegen der dafür notwendigen Abholzung des Kollerschen Walds zunächst „zurückgestellt“. (In dessen Bebauungsplan tauchte immerhin der Klimaschutz mit der Vorgabe von KfW 55 als Energie­standard auf. Wahrscheinlich sollte das die Abholzung des Walds „versüßen“). Ein kleiner Licht­blick: Im geplanten Baugebiet „Am Vorwerker Bach“ (ca. 20 Bauplätze) soll (!) nachhaltig, öko­logisch und unter optimaler Nutzung Erneuerbarer Energien gebaut werden. Einen verbind­lichen (!) Bebauungsplan gibt es jedoch noch nicht.

Auch bezahlbarer Wohnungsbau kann nachhaltig und klimafreundlich sein!

Dass Celle in seinen großen Neubaugebieten vor allem auf Einfamilienhäuser setzt, ist eine Fehl­entwicklung und offenbart ein in Vorklimawandelzeiten verhaftetes Denken. Denn …

EFH sind bezüglich Nachhaltigkeit

und Energieeffizienz die schlechteste Lösung.

Die Begründung der Stadt Celle, warum es keine Klimaschutzauflagen in den Bebauungsplänen gebe, ist u.a. dem Konzept einer angeblich „Familienfreundlichen Stadt“ geschuldet. Junge Familien wollen angeblich nur EFH, und durch Klimaschutzauflagen verteuerte Baukosten würden den Zuzug junger Familien nach Celle ver­hindern. Das heißt aber auch: Was junge Familien betrifft, wäre Celle bei seinen Neubau-Projekten auf den Zuzug überdurchschnittlich verdienender und gutbeerbter Bauherren/frauen angewiesen. Würde man sich jedoch beim Neubau auf für Jedermann/frau bezahlbaren Wohnraum in größeren, kompakten Wohnanlagen beschränken, entfiele auch der Flächenfraß für immer mehr Neubaugebiete. Natürlich geht es auch anders als mit überteuerten, nicht mal klimagerechten EFH. Zum Beispiel gibt es bereits in Tübingen, Bamberg und Nürnberg nach dem Effizienzhaus-Standard 40 errichtete Wohnanlagen. Bei bis zu 40% dieser Wohnungen liegen die Mietpreise zu 30% unter dem örtlichen Miet­spiegel - mit einer Bindung von 25 Jahren. Diese klimafreundlichen Wohnan­lagen besitzen gemeinschaftliche Flächen, begrünte Innenhöfe, Spielstraßen, Gemeinschafts­räume und sehen auch Senioren-WGs und integrative Wohngemeinschaften vor. Und sie werden „divers“ mit Mieter:innen aller Gesell­schaftsschichten belegt. Das setzt natürlich voraus, dass man diese Projekte nicht den üblichen „Immobilien-Entwicklern“ überlassen darf. Dass bezahlbares Bauen und Wohnen auch in Celle mit relativ hohem Energiestandard gelingen kann, zeigt das Projekt Wittinger Straße der Allerland alias WBG (s.u.).

Wird Celle ausgerechnet durch Tiny Houses für junge Leute attraktiv?

Ein Vorzeigeprojekt der Celler Bauplanung ist ein Tiny House Projekt. In der Steinfurt“ im Stadtteil Altstadt-Blumlage sollen auf zwischen 260 m2 und 315 m2 großen Grundstücken bis zu 18 Tiny Houses mit max. 50 m2 Grundfläche entstehen. Das hat nichts mit Wohnwagenromantik und spartanischem Leben im Bauwagen zu tun, sondern ist knallhartes Immobilienbusiness (allein für das Haus muss bei 20m2 mit ca. 50.000 Euro und bei 50m2 mit mindestens 85.000 Euro gerech­net werden). Aber Tiny Houses sind in den meisten Fällen auch ökologischer Wahnsinn:

Dieselbe Gesamt-Wohnfläche in Form eines  kompakten

Appartementhauses würde beim
Bau weniger Material,

Energie und Geld
verschlingen und wäre auch beim

Betrieb wesentlich energieeffizienter.

Auch der Flächenfraß wäre geringer, und eine große, mit vielen Bäumen und Gärten versehene Gemeinschaftsfläche würde zumindest langfristig zur CO2-Senke und in heißen Sommern zur Oase. Die Tiny Houses, so die Behauptung, seien besonders für junge Leute attraktiv. Doch mal abgesehen davon, ob die jungen Leute dies tatsächlich bezahlen können, wenn sie wirklich so gerne auf kleinem Raum leben möchten: Wären da sanierte, zu günstigen Mieten angebotene Wohnungen in der Altstadt nicht auch für junge Leute die bessere Lösung? Und das würde darüber hinaus zur Belebung der Altstadt beitragen. Vielleicht müsste man die hierzu die Beispiele anderer, erfolgreicherer Städte studieren (siehe auch Broschüre "Historische Stadtkerne – integriert denken und handeln" des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung).

Schlechtes Beispiel: Bebauung der Aller Insel

Ein schlechtes Beispiel in Sachen Klimaschutz ist die Allerinsel. Schon im Bebauungsplan für diese über 200 Wohneinheiten waren keine Klimaschutzauflagen zu finden. Und statt wie ursprüng­lich vorgeschlagen, das neue Wohn­gebiet klimafreundlich durch Nahfernwärme aus mittel­tiefer Geothermie zu versorgen, wurde dann eine Entscheidung für ein Erdgas betriebenes BHKW getroffen.

Ein BHKW, das mindesten 15 weitere Jahre genau so viel

CO2 emittiert, als hätte man eine billige Gasheizung

eingebaut,
ist alles andere als zeitgemäß!

Das DIW und andere sagen, dass zur Erreichung der deutschen Klimaziele der Erdgasverbrauch in Deutschland bis 2030 halbiert werden muss, und da baut Celle immer noch Erdgasverbraucher zu. Diese Entscheidung fiel, obwohl aufgrund von geologischen Vorerkundungen an diesem Standort mitteltiefe Geothermie, genug CO2-freie Wärme geliefert hätte. Und Celle hätte damit zu einem Leuchtturm in Sachen Geothermie werden können. Auch das damals in diesem Zusam­men­hang angeführte Argument, statt Erdgas könne man für das BHKW auch Biogas verwenden, ist irreführend. Biogas aus Mais ist klima- und umweltschädlich. Und auch das Argument, mittel­tiefe Geothermie wäre zu teuer gewesen, ist nur stichhaltig, da die Stadt bzw. der Bauträger ent­weder unfähig oder unwillig waren, die für solche Projekte möglichen Fördermaßnahmen zu nutzen.

Gute Beispiele: Wittinger Straße und Windmühlenstraße

Allerland (ehemals WBG), die städtische Wohnbaugesellschaft in Celle, errichtet eine unter einigen Aspekten vorbildliche Wohnanlage in der Wittingerstraße mit 38 Wohnungen in zwei Gebäudeeinheiten. Bei einer Miete von 5,80 Euro/m2 werden die Wohnungen an Menschen mit Wohnberechtigungsschein vergeben. Abgesehen von der mit dem Bau dieser Anlage verbund­enen Baumrodung erscheint die Anlage bezüglich Klimaschutz weitgehend vorbildlich. Die nach Effizienzhaus-Standard 55 gebaute Anlage besitzt Fußbodenheizung, und die Heizungs­wärme wird über Wärmepumpen aus oberflächennaher Geothermie erzeugt. Da die Häuser gleichzeitig Photovoltaikanlagen besitzen, kommen sie ohne Erdgasanschluss und im Jahres­durchschnitt ohne externe Energiezufuhr aus. Die Anlage sieht zwar noch Stellplätze für Pkws vor, doch es gibt eine Bushaltstelle vor der Tür sowie Ladestationen für E-Bikes, und es soll auch E-Car-Sharing eingerichtet werden. In der Windmühlenstraße leistet Allerland un­einge­schränkt Vorbildliches, sie baut 21 neue Wohnungen und modernisiert 45 Bestands­ein­heiten energetisch. Alle Wohnungen werden sukzessive an zwei zentrale geothermische Anlagen mit Wärmepumpen angeschlossen und so beheizt und mit Warmwasser versorgt. Dadurch können jährlich 34 Tonnen CO2 eingespart werden, das entspricht schon jetzt einem Minus von 27 % gegenüber einer konventionellen Gas-Brennwertanlage. In Zukunft wird bei Betrieb der Wärmepumpen mit 100% erneuerbarem Strom gar kein CO2 mehr emittieren. Doch auch bei der Allerland gibt es bzgl. Klimaschutz noch Verbesserungspotenziale. Sie müsste in Zukunft bei allen Neubauten und bei Altbausanierungen (nach Möglichkeit) den Effizienzhaus-Standard 40 sowie Heizung mit Wärmepumpen und PV-Anlagen verwirklichen. Das müsste bei Ausschöpfung aller Fördermittel möglich sein. Bei diesem Standard würde nämlich auch bei sonnenschwachen Wintertagen der zusätzlich zum PV-Strom nötige, externe Strom minimiert.

Serielles Sanieren erreicht Nullenergie-Standard im Altbestand

Celle hat einen relativ hohen Bestand an Mehrfamilienhäusern aus den 1950er und 1960er Jahren, sie würden sich besonders kostengünstig und Bauzeit verkürzend für Serielles Sanieren eignen. Dabei werden digital berechnete, vorgefertigte Fassadenelemente inklusive Fenster inner­halb von wenigen Tagen vor die Altfassaden gesetzt. Damit können auch bei Altbauten kosten­günstig höchste Isolationsstandards erreicht werden. Zusammen mit einer Umstellung auf CO2-freie Heizungen (siehe nächster Absatz) sowie PV-Dachanlagen werden so Altbauten zu Null­energie-Häusern. („Nullenergie-Häuser“ meint Häuser, die im Jahresschnitt praktisch keine Fremdenergie verbrauchen, d.h. nur ca. 90 Tage im Jahr Fremdstrom aufnehmen, aber die rest­liche Zeit Strom liefern). Serielles Sanieren – in den Niederlanden seit vielen Jahren bewährt – wird inzwischen auch vom BMWi und der Deutschen Energie-Agentur (dena) empfohlen. Höchste Zeit, sich auch in Celle damit zu befassen!

Mit den goldenen Zeiten der Erdöl- und Erdgas-Hauptstadt Celle ist es vorbei!

Fast alle Firmen der ITAG-Gruppe sind pleite, Baker Hughes baut weiter ab und auch bei vielen Zulieferern herrscht Alarmstimmung. Der Niedergang der fossilen Energien reißt wichtige Teile der Celler Wirtschaft mit. Fakt ist: Der Einbruch bei den Zulieferern und Dienstleistern der Erdöl- und Erdgasindustrie wird sich über die nächsten 10 Jahre fortsetzen. Im Großen hat das die Finanz­wirtschaft längst erkannt, immer mehr Fonds und Großinvestoren ziehen sich aus den fossilen Energien zurück (u.a. Norwegischer und Schwedischer Rentenfonds oder sogar die ursprünglich mit Ölgeld aufgebaute Rockefeller Stiftung). Es wird also Zeit, dass die Wirtschaftsförderung der Stadt Celle gegensteuert und die Stärkung und Ansiedlung von Firmen der erneuerbaren Energien zu einem Schwerpunkt macht. Nicht, weil das gerade im Trend liegt (auch dann wäre es nicht falsch), sondern weil Celle beste Voraussetzungen dafür mitbringt. Denn viele Technologien der Erdöl- und Erdgasförderung können prinzipiell auch im Bereich der Geothermie eingesetzt werden.

Bei einer Transformation in Richtung Geothermie

könnte das Knowhow vieler in Celler bereits

existierender Firmen weiter genutzt werden.

Celle muss zu einem florierenden Geothermie-Schwerpunkt werden!

Celle ist nicht nur Standort des Vertriebs eines großen europäischen Wärmepumpenherstellers, es gibt auch eine ganze Reihe von Fachfirmen für deren Installation und Wartung. Auch Firmen des Brunnenbaus könnten angesichts der Klimawandel bedingten Probleme bei der Feldbereg­nung im Bereich oberflächennaher Geothermie mehr als kompensierenden Umsatz finden. Von Seiten der Allerland (s.o.) ist die Bedeutung CO2-freier* Heizung mittels Wärmepumpen offenbar erkannt. Auch einzelne private Bauherren/frauen interessieren sich zunehmend für Wärme­pumpen oder haben bereits ihre Heizungen damit ausgestattet. Großer Nachholbedarf besteht vor allem noch bei der energetischen Sanierung und Heizungs-Umrüstung privater Altbauten. Aber auch bei den Gebäuden von Stadt und Landkreis muss ab sofort (!) bei Neubau und Sanierung auf Wärme­pumpen oder andere CO2-freie Heizungen umgestellt werden (s. auch bei den Ab­sätzen zu „Fernwärme und Tiefe Geothermie“). Bislang galt der Vorbehalt, wegen der geringeren Vorlauf­temperaturen bei modernen Fußbodenheizungen (max. 45 °C) sei die Umrüstung auf Wärme­pumpen für Altbauten mit Heizkörpern ungeeignet. Doch moderne, doppel­stufige Wärme­pumpen liefern heute auch die dafür nötigen Vorlauftemperaturen von ca. 65 °C und mehr. Leider wird in Sachen CO2-freie Heizungssanierung auch in Celle, auf Seiten der Nachfrage oft noch über mangelnde Beratung, zu lange Wartezeiten und auf Seiten der Anbieter über Mangel an Fach­kräften geklagt. Das würde sich schnell ändern, wenn die Stadt Celle bei ihrer Bauplanung und bei der Beratung der Bürger:innen bei Neubau und Altbausanierung ein­deutig auf Geothermie setzen würde.  Dann hätten alle bereits vorhandenen einschlägigen Firmen und auch die bald dazu kommenden Startups Planungssicherheit und Celle könnte innerhalb weniger Jahre zum Leuchtturm bei der Nutzung oberflächennaher Geothermie werden. Allerdings hat Celle auch ein gewisses, bislang ungenutztes Potenzial bei Mitteltiefer und evtl. auch Tiefer Geothermie!
*CO2-frei arbeiten Wärmepumpen natürlich erst mit 100% EE-Strom, aber das müssen wir ja bis 2035 erreichen. 

Das Knowhow für Tiefe Geothermie steht in Celle auf Abruf! 

Bei Tiefer Geothermie wird durch eine erste tiefe Bohrung (ca. 1500 m bis 3500 m) das heiße Wasser mittels Pumpe entnommen, die Wärme über Wärmetauscher in ein Fernwärmenetz eingespeist, und dann wird über eine zweite Bohrung das abgekühlte Wasser in die Tiefe zurück­befördert. Der Vorteil: Bis auf die relativ geringe Strommenge für die Pumpen braucht ein Fern­wärmenetz auf Basis von Tiefer Geothermie praktisch keine zusätzliche Energie. Celle liegt geo­logisch in einem Bereich, in dem in Tiefen von ca. 3000 m Temperaturen von 90 °C bis ca. 120 °C bestehen. Dies wurde bereits in den letzten 20 Jahren in geologischen Voruntersuchungen und Erkundungen bestätigt, wofür die Stadt und die WBG insgesamt immerhin 375.000 Euro für Machbarkeitsstudien ausgaben. Dies wurde bislang allerdings nicht bis zur Findung tatsächlich nutzbarer Wasser­schichten fortgeführt (siehe nächster Absatz).  Da praktisch alle Techniken der Erd­gas- und Erdölförderung auch auf die Tiefe Geothermie anwendbar sind, wäre Celle deshalb prädestiniert, zu einem Schwerpunkt bei der Nutzung Tiefer Geo­thermie zu werden. Nicht ganz zufällig wurde 2014 der Drilling Simulator Celle (DSC) als Forschungs­zentrum der TU Clausthal mit der Begründung „Förderung der Tiefen Geothermie“ mit staatlichen Geldern eingerichtet. Seitdem forscht der DSC, neben Aufträgen aus der Erdöl- und Erdgas­industrie, an der simulierten (!) Optimierung der Bohr­prozesse in der Tiefen Geothermie und konnte jüngst dafür sogar in Moskau einen Preis der russischen „Gubkin-Universität für Erdöl und Erdgas einheimsen. Zur praktischen Anwendung der Erkenntnisse des DSC für die Erschließ­ung Tiefer Geothermie in Celle ist es aller­dings bislang nicht gekommen.

Tiefe Geothermie im Stadtgebiet Celle erscheint auf absehbare Zeit problematisch.

Der große Nachteil Tiefer Geothermie sind die hohen Bohr- und Einrichtungs-Kosten, weshalb sie sich nur für Fern­wärmenetze – also die Versorgung vieler Gebäude – wirtschaftlich lohnt. D.h.: Celle müsste dafür ein Wärmenetze aufbauen. Das zweite Problem, das die Nutzung in Celle verhindert, ist das hohe finanzielle Risiko bei der Bohrung nach wirklich nutzbarer (!) Tiefenwärme. Zwar weiß man in Celle bereits, dass relativ heiße Schichten im Untergrund vorhanden sind, aber es ist ungeklärt, ob sie als sog. Aquifere auch genug nutzbares Wasser führen. Denn wenn heißes Wasser abgepumpt wird, muss auch genug heißes Wasser nachfließen. Und an genau welchen Stellen und in welchen Tiefen das in Celle der Fall ist, ist bislang äußerst unsicher. Aufgrund dieser Unsiche­rheiten kann es deshalb sein, dass nicht bereits die erste Tiefen-Bohrung fündig wird, es könnten auch weitere nötig werden. Doch jede Bohrung kostet bis zu 6 Mio. Euro. Und speziell im Gebiet Heese, unter dem 2013 in ca. 270 m Tiefe bis zu 125 °C vermutet wurden, zeigte sich auf Grundlage des Erkenntnisstands bis 2017, dass die Existenz durch­gängig wasser­führender Schichten zu wenig wahrscheinlich ist. Deshalb sind und waren die Bemühungen ver­geblich, Privatinvestoren für Tiefe Geothermie in Celle zu finden. Und auch ein öffentlich-recht­liches Unter­nehmen wie die Stadt­werke wird ohne Absicherung solche Projekte nicht tragen können. Tiefe Geothermie funktion­iert eben nur, wenn das Fündigkeitsrisiko durch Versicherungen abgedeckt werden kann. Doch die werden von der Versicherungswirtschaft derzeit nur noch in Oberbayern angeboten, wo die Fündigkeit aufgrund der besonders „breiten und dicken“ Aquifere bei über 95 % liegt. Dagegen werden wegen der komplexeren Hydrogeo­logie in Norddeutschland für Tiefe Geo­thermie keine Versicherungen mehr angeboten. Die Niederlande machen das längst anders: Ein Gesetz schreibt als Förderkriterium für Wärmeprojekte vor, dass stets auch die Nutz­ung von Mitteltiefer und Tiefer Geothermie überprüft werden muss. Dazu wurde in NL ein Förder­programm von 60 Mrd. Euro aufgelegt, und langfristig sollen 20% des Gesamtenergie-Bedarfs der Nieder­lande dadurch abgedeckt werden. Die Erdgas- und Erdölindustrie müssen all ihre geolog­ischen Daten zur Verfügung stellen, jede einzelne Bohrung wird staatlich bezuschusst und das Ausfall­risiko wird zu fast 100% durch eine (letztlich) staatlich abgedeckte Versicherung über­nommen. Zwar haben in den letzten Jahrzehnten rund um Celle die Unternehmen der Öl- und Erdgas Industrie viele Probebohrungen gemacht, wobei „not­gedrungen“ auch alle Wasser­schichten miterfasst wurden. Und durch das 2020 geänderte Geologie­­-Daten-Gesetz könnten diese Daten der Fossilindustrie zur noch genaueren Erfassung der Celler Geo­thermie-Verhält­nisse voll aus­gewertet werden. Doch anscheinend wird ohne wirtschaftlich abgesicherte Projekte diese Möglich­keit derzeit noch nicht umfassend genutzt. Kurzum, ohne massive staatliche Unter­stützung wird die Tiefe Geothermie im Stadtgebiet Celle wohl auf absehbare Zeit auf Eis liegen. Allerdings gibt es inzwischen Bestrebungen, die Suche nach Geothermie statt auf höchste Wasser-Temperaturen auf die Förderbarkeit ausreichender Wassermengen zu konzentrieren. So würden die wirtschaft­lichen Risiken erheblich minimiert. Erste Erkundungsbohrungen bzw. Nutz­ung bestehender still­gelegter Erdgas­bohrungen bei Walsrode bzw. Munster zeigen, dass in Tiefen zwischen 1000 m und 2000 m ergiebige Aquifere vorliegen mit Temperaturen von bis zu 75 °C. Im Norden des Landkreises Celle besteht bei Faßberg, Müden, Unterlüß, Bergen und Hermannsburg ebenfalls beste Fündigkeitsaussicht. Gute Aussichten, denn Temperaturen über ca. 70 °C reichen für die direkte Ver­wendung für Wärmenetze in Neubaugebieten aus. Für Altbaugebiete oder gemischte Gebiete, oder wenn das Geothermiewasser unter 70 °C liegt, müsste die Temperatur auf ca. 85 °C an­gehoben werden, was mit Großwärmepumpen gut möglich ist. (In Erding oder Straubing wird Geo­thermie in Kombination mit Wärmepumpe bereits seit Jahrzehnten erfolgreich genutzt). Sollten die Projekte im Norden des Landkreises erfolgreich sein, sollte Celle auf seinem Stadt­gebiet nachziehen, denn im Süden der Stadt (Westercelle) bestehen ebenfalls gute Aus­sichten auf Fündigkeit im Bereich mitteltiefer Geothermie.   

Ob Neubaugebiete oder Altbestandssanierung Celle braucht Wärmenetze!

Egal ob Neubaugebiete mit EFH, Blockbebauung oder Sanierung von Altbauten oder Altbaugebieten, alle Expert:innen sind sich einig:

Die Ausstattung mit Einzelheizanlagen ist energetisch

und wirtschaftlich ineffizient, zumal bei

Nutzung erneuerbarer Energiequellen.

In der Regel ist es weder energetisch noch wirtschaftlich sinnvoll, einzelne Wohnungen, Häuser ja selbst größere Wohnblocks jeweils separat für sich alleine auf CO2-freie Heizungssysteme um­zustellen. Oft ist der Einsatz individueller Wärmepumpen bei der Sanierung einzelner EFH, ja so­gar beim Neubau von EFH, suboptimal. Jedenfalls ist bei vielen Mehrfamilienhäusern, größeren Wohnblocks, aber auch bei Häuserzeilen in dicht bebauten Straßenzügen der Einsatz von indi­viduellen Wärmepumpen oft technisch schwierig oder sogar unmöglich. Für Erdwärmepumpen fehlt oft der Platz für Flächenkollektoren bzw. Erdsonden-Bohrungen, oder Letztere lägen zu dicht, oder Luft-Wärmepumpen führten zu Lärmbelästigung. Wie alle Expert:innen sagen, liegt die Lösung in Wärmenetzen. Das heißt nicht, dass auf einen Schlag ein flächendeckendes Fern­wärmenetz für ganz Celle aufgebaut werden müsste. Das sollte Straßenzug für Straßenzug, Quartier für Quartier umgesetzt werden. Auch große Städte wie München haben mal klein angefangen, aber auch kleine Städte wie z.B. Lemgo (41.000 Einwohner) oder Flensburg (90.000 Einwohner) besitzen bereits Fernwärmnetze. Eine Möglichkeit ist, dass das Netz mit ca. 85 °C heißem Wasser aus mehreren im Netz verteilten Groß-Wärmepumpen versorgt wird und dann die Heiz- und Brauchwasser­wärme (Legionellen frei) über kleine kompakte Wärmeaustauscher in die Häuser eingespeist wird.

Es wäre aber auch möglich, eine sog. Kalte Fernwärmeversorgung aufzubauen. Dazu wird das an einer oder mehreren Stellen im Stadtgebiet mit Tempera­turen von ca. 8°C bis 10 °C entnommene Grundwasser im Leitungsnetz zwischen den Gebäuden umgepumpt, und in jedem Haus befindet sich eine Wärmepumpe, die dieses Wasser als Wärmquelle nutzt. Vorteil sind evtl. billigere, da nicht isolierte Leitungen, sowie eine individuellere Anpassung der Wärme­pumpen an die in jedem Gebäude nötigen Vorlauftemperaturen. (Übrigens im Sommer könnte ein solches Netz auch zur Kühlung der Gebäude eingesetzt werden.) Die Frage ist, wer baut ein solches Wärmenetz auf? In Celles kleiner Nachbargemeinde Ahnsbeck (mit 1.600 Einwohnern) hat dies eine von den Bürger:­innen gegründete Energiegenossenschaft gemacht. Das dortige Fernwärme­netz wurde durch Aus­schöpfung aller Fördermöglichkeiten kostengünstig umgesetzt. Und die beteiligten Bürger genieß­en zu Preisen im Schnitt knapp unterm Gaspreis alle Vorzüge eines „Sorglos“-Heizsystems (ohne Kosten für Wartung, Reparatur und Erneuerung von Heizanlagen im eigenen Haus). Da eine Stadt wie Celle natürlich etwas „komplexer“ aufgebaut ist als solch eine kleine Gemeinde, müsste in Celle der Aufbau eines Wärmenetzes z.B. von den Stadtwerken über­nommen werden. 

Ein personell gut ausgestattetes Klimaschutzeferat mit Entscheidungskompetenz

Der aktuellen Stellen­ausschreibung für eine(n) Klimaschutzbeauftragte(n) der Stadt Celle ist zu entnehmen, dass die gesuchte Person mindestens fünf Aufgabengebiete abdecken müsste, wofür eigentlich jeweils mindestens (!) eine Arbeitskraft nötig wäre. Ein(e) einzige Klimaschutzbeauf­tragt­e(r) für eine angeblich „zukunfts­orientierte Stadt“ deutet für eine Stadt von Celles Größe eher auf Rückwärtsgewandtheit hin. Neue Aufgaben erfordern neue Strukturen!

Um auf dem Gebiet des Klimaschutzes aus dem Stadium

von Absichts­erklärungen und Stückwerk endlich in ein
'
Stadium zielgerichteter Umsetzung zu gelangen,

benötigt die Stadt Celle ein eigenständiges Klimaschutzreferat

mit mindestens fünf* Mitarbeiter:innen.

Wichtig ist, dass diesem Referat Entscheidungskompetenz zugeordnet ist, und es nicht mehr nur Anhängsel des Baureferats bleibt. Auch das Argument, die verschuldete Stadt Celle könne sich nicht mehr Personal leisten, stimmt nur bedingt. Nicht nur der Bau von Autostraßen, auch der Klimaschutz erfordert Investitionen, die nicht in Form eines „Klimaschutzfonds“ gespeist von  „Spenden“ aus der fossilen Industrie abgedeckt werden können. Übrigens: Der Klima­wandel bewirkt einen Wandel der Aufgaben und macht sicherlich auch in Celles Verwaltung Personalum­setzungen möglich. Und dass es bei der Stadt Celle unter den derzeit 1.050 Mitarbeiter:innen viele gibt, die sich gerne neuen, zukunftssichernden Aufgaben widmen, davon ist auszugehen. 
* Fünf Mitarbeiter erscheinen auf den ersten Blick vielleicht übertrieben. Doch allein ein einziges großes Förderprojekt kann bis zu 1 Mann/Frau-Jahr verschlingen. Und wenn sich inzwischen Gemeinden mit 10000 Einwohnern eine(n) Klimaschutzbeauftragte(n) leisten, sind 5 Mitarbeiter für Celle kein Luxus, sondern Notwendigkeit.

Ein städtisches Klimaschutz-Beratungsbüro für Bürgerschaft und Handwerk 

Oft wird bei Neubau und Sanierung nicht die energieeffizienteste und wirklich CO2-vermeidende Lösung gewählt, sondern das (vermeintlich) billigste und am Schnellsten umzusetzende Angebot eines Handwerksbetriebs oder Bauunternehmens. Zwar ist jetzt nach dem neuen GEG (Gebäude­energiegesetz) stets die Zuziehung eines Energieberaters vorgeschrieben. Doch die meist übliche „08/15-Beratung“ und die Empfehlung eines „befreundeten“ Handwerkbetriebs führen meist nicht zum Klimaschutzziel, zumal wenn die „Beratenen“ danach vor einem Wust von Förderbestimm­ungen und Formularen stehen und lange Wartefristen den Baubeginn verzögern.

Die Wärmewende in Celle wird nur gelingen,

wenn alle Bürger:innen bei Sanierung und Neubau

nicht nur kompetent und neutral beraten,


sondern auch aktiv (!) unterstützt werden!

Hierzu ist eine neutrale, kostenlose, fachlich kompetente Beratung mit sofort anschließender aktiver Betreuung von Förderanträgen äußerst hilfreich. Indirekt würde eine neutrale, kompetente Beratung auch das einschlägige örtliche Handwerk fördern, da dann bevor­zugt die Unternehmen zum Zuge kommen würden, die die energieeffizientesten und zugleich kostengünstigen Lösungen anbieten. Das würde, wie schon oben gesagt, die personelle Auf­stockung bestehender Fach­firmen, aber auch Neugründungen fördern und die Wirtschaftskraft Celles stärken. Eine solche Beratungsstelle ist zwar keine Pflichtaufgabe der Stadt, würde sie aber bei ihren Pflichten in Sachen kommunale Wärmewende enorm unterstützen.  Ob diese Aufgabe der Beratung und aktiven Unterstützung auch in Form einer „Energieagentur“ umgesetzt werden kann, sei dahin­gestellt.    

Die Stadtwerke müssen Hauptakteur der Wärmewende in Celle werden!

Sowohl eine Studie des Borderstep Instituts für Innovation und Nachhaltigkeit („Wärmeplanung als Instrument der Wärmewende“) als auch Stellungnahmen des Verbands Kommunaler Unternehm­en (VKU) als auch des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) betonen:

„Den Stadtwerken fällt bei der

Kommunalen Wärmewende die Schlüsselrolle zu!“

Auch die KEAN empfiehlt z.B. den Aufbau eines Wärmenetzes durch die Stadtwerke Schleswig als Vorbild für die niedersächsischen Kommunen. Diese Rolle der Stadtwerke beim Aufbau von CO2-freien Wärmenetzen leuchtet sofort ein. Doch wir müssen darauf hinweisen, dass auch der für den Betrieb von Pumpen und Wärmepumpen nötige Strom erneuerbar sein muss. Der Aufbau von lokalen Energieinseln aus Windenergieanlage und/oder PV-Anlage (mittelfristig inklusive Elektrolyseur und Wasserstoff-Speicher zur lokalen Notstromversorgung) muss am besten mit Bürger:innen-Beteiligung von den Stadtwerken übernommen werden. Dies können die Stadtwerke Celle natürlich nicht aus bloßer Eigeninitiative anpacken, dazu bedarf es der Beauftragung und Unterstützung durch die Politik und Verwaltung der Stadt Celle!  

 

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Anhang: Was ist ein Effizienzhaus?

Ein Effizienzhaus ist ein energetischer Energiebedarfs-Standard für Wohngebäude.
Er setzt sich aus zwei Kriterien zusammen:

  • Wie hoch ist der Gesamtenergiebedarf der Immobilie?
    (Da steckt also auch der Energiebedarf der Heizung bzw. Klimatisierung mit drin.)
  • Und wie gut ist die Wärmedämmung der Gebäudehülle?

Die unterschiedlichen Zahlenwerte geben an, wie energieeffizient ein Gebäude im Vergleich zu einem Referenzgebäude ist. Dabei gilt: Je niedriger die Zahl, desto höher die Energieeffizienz und umso höher die Förderung. Als Vergleich dient ein Referenzgebäude, das den Vorgaben des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) entspricht.

Im Vergleich zum Referenzgebäude des GEG benötigt zum Beispiel das Effizienzhaus 55 nur
55 % der Primärenergie. Zudem liegt der Transmissionswärmeverlust bei nur 70 % des Referenz­gebäudes. Der bauliche Wärmeschutz ist somit um 30 % besser.

Der gesetzliche Neubaustandard liegt bei 75 % des Niveaus des Referenzgebäudes.

Effizienzhaus-Stufen im Überblick

Effizienzhaus-Stufe

Primärenergie-
bedarf

Transmissions-
wärme­verlust

Effizienzhaus 40

40 %

55 %

Effizienzhaus 55

55 %

70 %